Arbeitsunfall wird nicht anerkannt: Was tun?

Arbeitsunfall nicht anerkannt: Was tun?

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Arbeits­un­fall nicht aner­kannt: Was tun?

Ein Arbeitsunfall kann das Leben verändern. Dies gilt nicht nur in gesundheitlicher Hinsicht. Im schlimmsten Fall folgen einem verhängnisvollen Unfall auch noch arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Wir beantworten ausführlich folgende Fragen:

  • Was ist ein Arbeitsunfall?
  • Welche Rechte und Pflichten gelten nach einem Unfall?
  • Welche Ansprüche bestehen?
  • Und was, wenn ein Arbeitsunfall nicht anerkannt wird?

Wer einen Arbeitsunfall erleidet, hat grundsätzlich Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung. Beginnen wir also mit dem Wichtigsten:

Was zählt als Arbeitsunfall?

Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, der versicherten Personen im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit zustößt. Was ein Unfall ist, definiert § 8 SGB VII. Dort wird ein Unfall als „ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt“ definiert.
 
Bevor die Berufsgenossenschaft einen Arbeitsunfall anerkennt und die Unfallversicherung zahlt, wird sehr genau geprüft. Entscheidend ist, ob es sich tatsächlich um einen Unfall im Sinne der vorangegangenen Definition handelt und ob dieser Unfall im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Bei einem Arbeitsunfall im Home Office ist die Abgrenzung oft schwer.
 
Problematisch ist die Abgrenzung häufig auch bei Vorerkrankungen. Ein Unfall passiert möglicherweise nur infolge eines bestehenden Vorschadens. So urteilte das Sozialgericht Baden-Württemberg beispielsweise gegen eine Arbeitnehmerin. Diese war bei der Arbeit umgeknickt. Ursächlich für die daraus folgende Verletzung war jedoch ein 22 Jahre zurückliegender Bänderriss (Az. L 8 U 5043/09). Die Berufsgenossenschaften fragen im Zweifel bei der Krankenkasse nach und prüfen anhand der medizinischen Historie eines Patienten, ob Vorerkrankungen mitverantwortlich für einen Unfall sein könnten.
 
Betrieblicher Zusammenhang

Liegt immer ein Arbeitsunfall vor, wenn sich das Unfallereignis in den Räumen des Arbeitgebers ereignet? Nicht immer. So entschied etwa das Sozialgericht Heilbronn gegen einen Angestellten, der im Toilettenraum seines Arbeitgebers ausgerutscht und sich eine Kopfverletzung zugezogen hatte. Die Richter urteilten, der Besuch der Toilette sei privater Natur und stehe nicht in einem betrieblichen Zusammenhang (Az. S 13 U 1826/17). Problematisch sind auch Raucherpausen, die während der Arbeitszeit eingelegt werden. Das Sozialgericht Karlsruhe entschied, dass Arbeitnehmer während solcher Pausen nicht unfallversichert seien (Az. S 4 U 1189/15).
 
Sehr wohl versichert sind jedoch Unfälle, die sich auf dem Weg zur Arbeit sowie auf dem Rückweg ereignen. Umwege sind dagegen nicht versichert. Ebenfalls nicht versichert sind Arbeitnehmer, die während der Arbeitszeit einen nicht akuten Arztbesuch vornehmen. Dies gilt auch für den Weg dorthin und von dort zurück zum Arbeitsplatz. In der Mittagspause ist der Weg zum Essen versichert. Dies gilt auch, wenn eine Mahlzeit außer Haus eingenommen wird. Wege zu anderen Anlässen sind dagegen ebenso nicht versichert wie der Aufenthalt im Restaurant selbst.
 
Rechte bei einem Arbeitsunfall haben im Übrigen nicht nur Angestellte. Auch Auszubildende, Kindergartenkinder, Schüler, Studenten, pflegende Angehörige, ehrenamtlich Tätige, Entwicklungshelfer und Helfer bei Unglücksfällen genießen bei einem Arbeitsunfall Rechte. Versicherte Personen sind auch Bewerber, die sich auf Aufforderung der Arbeitsagentur bei einem Unternehmen vorstellen. An- und Abreise sowie der Aufenthalt dort sind dann versichert. Nicht versichert ist, wer sich selbstständig auf Arbeitssuche begibt.
 
Welche Rechte habe ich nach einem Arbeitsunfall?

Die Kosten von Behandlung, Rehabilitation und Unfallrente trägt grundsätzlich die gesetzliche Unfallversicherung. Dies setzt allerdings die Anerkennung als Arbeitsunfall durch die Berufsgenossenschaft voraus.
 
Die Rechtsgrundlage für eine Anerkennung als Arbeitsunfall findet sich in § 1 SGB VII. Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung ist es demnach, mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten. Nach Eintritt von Arbeitsunfällen sollen die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederhergestellt werden. Zudem sollen die Geschädigten und ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen entschädigt werden.
 
„Alle geeigneten Mittel“ bedeutet, dass Geschädigte mehr Leistungen erhalten können als in der gesetzlichen Krankenversicherung. Inklusive sind zum Beispiel Heilbehandlung, Reha, Physiotherapie, Hilfsmittel, Verletztengeld und eine Unfallrente. Die gesetzliche Unfallversicherung kann (in Einzelfällen) den Arbeitsplatz des Geschädigten speziell ausrüsten. Auch Zuschüsse für den barrierefreien Umbau der Wohnung des Geschädigten sind möglich. Gegebenenfalls zählt auch ein Schwerbehindertenausweis zu den Rechten nach einem Arbeitsunfall.
 
Es gibt einige weitere Kostenerstattungen. Geht eine Sehhilfe infolge eines Arbeitsunfalls zu Bruch, erstattet die Unfallversicherung diese bis zu Kosten von 300 Euro. Für notwendige Wege zum Arzt, zu Umschulungen etc. mit üblichen Verkehrsmitteln werden 0,20 EUR pro Kilometer erstattet. Für An- und Abreise zusammen gibt es maximal 130 EUR.
 
Rechte nach Arbeitsunfall: Was wird gezahlt?

In den ersten sechs Wochen nach einem Arbeitsunfall ist der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet. An die Lohnfortzahlung schließt sich das sogenannte Verletztengeld an. Das Verletztengeld wird durch die Krankenkasse ausgezahlt. Übernommen wird es durch die Berufsgenossenschaft. Das Verletztengeld beträgt 80 % des Bruttolohns. Vom Verletztengeld werden Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung abgezogen. Das Verletztengeld ist steuerfrei. Arbeitnehmer müssen es in ihrer Steuererklärung trotzdem angeben, da es für die Festlegung des Steuersatzes relevant ist.
 
Ziel des Verletztengeldes ist die Rehabilitation des verunfallten Arbeitnehmers. Eine solche Rehabilitation kann auch eine Umschulung beinhalten. Diese kommt in Betracht, wenn die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz aufgrund des Arbeitsunfalls nicht mehr möglich ist. Das Verletztengeld wird gezahlt, bis der Arbeitnehmer wieder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben kann – maximal jedoch 78 Wochen.
 
Je nach Schweregrad der Schädigung gibt es durchaus lebenslange Rechte bei einem Arbeitsunfall. Diese Rechte beziehen sich insbesondere auf die Verletztenrente. Diese wird durch die Berufsgenossenschaft gezahlt. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit für mindestens ein halbes Jahr um mindestens ein Fünftel verringert ist. Ist der Geschädigte gar nicht mehr zur Ausübung seiner Tätigkeit in der Lage (100 % Erwerbsminderung), erhält er eine jährliche Unfallrente in Höhe von zwei Dritteln des vorangegangenen Bruttojahresverdienstes. Bei 20 % Erwerbsminderung reduziert sich die Rente auf 20 % dieser Unfallrente.
 
Die Unfallrente kann zu einer Verringerung der Erwerbsminderungsrente in der gesetzlichen Rentenversicherung führen. Ob dies der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend ist das Gehalt vor dem Unfall und die Höhe der Erwerbsminderungs- sowie der Unfallrente.

Verstirbt ein Versicherter infolge eines Arbeitsunfalls, zahlt die Unfallversicherung Sterbegeld und Hinterbliebenenleistungen. Dazu zählen insbesondere Witwen- und Waisenrenten.
 
Rechte und Pflichten von Verletzten bei einem Arbeitsunfall

Kommt es zu einem Arbeitsunfall, sollten Geschädigte so schnell wie möglich einen Durchgangsarzt aufsuchen. Durchgangsarzt ist ein Chirurg oder Orthopäde, der über eine zusätzliche Zulassung der gesetzlichen Unfallversicherung verfügt. Der Durchgangsarzt bestimmt, welche Maßnahmen ergriffen werden. Angestellte erhalten ein Formular, dass die Einstufung als Unfall dokumentiert. Dieses Formular verbrieft das Recht auf die Behandlung bei weiteren Ärzten.
 
In den meisten Betrieben gibt es Listen mit umliegenden Praxen von Durchgangsärzten. Wird ein Geschädigter mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, sollte dort so früh wie möglich klargestellt werden, dass ein Arbeitsunfall vorliegt. Zudem sollte der Vorgesetzte unverzüglich über den Unfall informiert werden.
 
Dies gilt auch für kleinere Verletzungen. Werden kleinere Verletzungen nicht gemeldet, lassen sich Kombinationen später womöglich nicht beweissicher auf den Vorfall zurückführen. Die deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) rät deshalb, jeden noch so kleinen Arbeitsunfall zu melden. Dies gilt auch, wenn Arbeitsunfall vermeintlich unbedeutend ist wie zum Beispiel ein kleiner Schnitt in den Finger. Der Grund: Durch eine vermeintlich unbedeutende Erstverletzung kann ein schlimmer Folgeschaden entstehen. Beeinträchtigt dies die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten und wurde der auslösende Vorfall nicht gemeldet, kann dies den Versicherungsschutz beeinträchtigen.
 
Was müssen Arbeitgeber nach einem Arbeitsunfall tun?

Arbeitgeber müssen Arbeitsunfälle der gesetzlichen Unfallversicherung unverzüglich anzeigen. Dies ist in § 193 SGB VII festgelegt. Die Anzeigepflicht besteht, wenn der verunfallte Arbeitnehmer infolge des Unfalls für mehr als drei Tage nicht arbeitsfähig ist. Insbesondere bei schweren Verletzungen oder gar tödlichen Unfällen sollte unbedingt eine sofortige Meldung erfolgen.

Arbeitgeber sollten ein Verbandbuch führen. Dieses dient als Nachweis gegenüber der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Im Verbandbuch werden verschiedene Tatsachen festgehalten. Dazu gehören:
 

  • Ort und Zeit des Unfalls
  • Name des Verletzten
  • Art der Verletzung
  • Zeitpunkt der Behandlung
  • Durchgeführte Maßnahmen (z. B. Erste Hilfe)
  • Name des Ersthelfers
  • Namen von Zeugen

Abmahnung nach Arbeitsunfall ist möglich

Häufig ziehen Arbeitsunfälle juristische Konsequenzen nach sich. Ist eine Abmahnung nach einem Arbeitsunfall rechtens? Ja! Bei selbstverschuldeten Unfällen müssen Angestellte mit solchen Schritten durch den Arbeitgeber rechnen.
 
Arbeitnehmer, die fahrlässig einen Arbeitsunfall verschulden, riskieren ihren Lohn und im schlimmsten Fall sogar hohe Schadensersatzforderungen. Mit einer Abmahnung warnt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Wiederholung und dokumentiert die Obliegenheitsverletzung. Die Abmahnung muss sich auf das durch den Arbeitgeber beanstandete Verhalten beziehen. Der Arbeitgeber muss dieses Verhalten konkret erläutern und dabei einen konkreten Bezug zum Arbeitsvertrag nehmen.
 
Wichtig: Ein solches Fehlverhalten kann auch dann eine Abmahnung nach sich ziehen, wenn es gar nicht zu einem Arbeitsunfall kommt.
 
Kündigung nach Arbeitsunfall rechtens?

Ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber nach einem Arbeitsunfall rechtens? Ja! Zumindest spricht aus Sicht des Arbeitgebers rechtlich nichts dagegen, von einer bestehenden, ordentlichen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, wenn diese den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Eine solche ordentliche Kündigungsmöglichkeit besteht regelmäßig während der Probezeit. Eine Kündigung nach einem Arbeitsunfall ist laut geltender Rechtsprechung weder sitten- noch treuwidrig.
 
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in einem Urteil festgestellt, dass eine Kündigung nicht allein deshalb treuwidrig sei, weil sie im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall ausgesprochen wird (27.5.2009, 3 Sa 74/09). Von einer treuwidrigen Kündigung gehen Gerichte in der Regel nur aus, wenn sich der Arbeitgeber durch sachfremde oder willkürliche Motive leiten lässt (zum Beispiel Arbeitsgericht Solingen, 2 Ca 198/12).
 
Arbeitsunfall im Ausland

Der Versicherungsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung gilt grundsätzlich auch für Arbeitnehmer im Ausland. Voraussetzung ist, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend entsandt wird.
 
Der beruflich bedingte Auslandsaufenthalt muss deshalb von vornherein einer zeitlichen Befristung unterliegen. Der Auslandsaufenthalt darf nicht zu einer Unterbrechung des inländischen Beschäftigungsverhältnisses führen. Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte auch während des Auslandsaufenthaltes durch seinen inländischen Arbeitgeber bezahlt wird und dessen Weisungen unterliegt. Zudem muss nach dem Ende des Auslandsaufenthaltes das Beschäftigungsverhältnis beim inländischen Arbeitgeber fortgesetzt werden.
 
Kein Schutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung besteht für Beschäftigte, die für zeitlich nicht begrenzte Auslandsaufenthalte eingesetzt werden. Kein Versicherungsschutz besteht zudem für Angestellte, die ausschließlich für Tätigkeiten im Ausland eingestellt werden. Unternehmen können für diese Beschäftigten jedoch Versicherungsschutz erwerben. Dazu muss das Unternehmen der Auslandsversicherung beitreten. Das entsprechende Formular ist bei der DGUV erhältlich.
 
Arbeitsunfall wird nicht anerkannt: Was nun?

Die Anerkennung als Arbeitsunfall durch die Berufsgenossenschaft ist Voraussetzung für Leistungen wie Verletztengeld und Unfallrente. Was tun, wenn der Arbeitsunfall nicht anerkannt wird? Dann ist zunächst für die Gründe danach zu suchen. Arbeitnehmer sollten sicherstellen, dass der Arbeitgeber den Unfall auch tatsächlich gemeldet hat. Arbeitgeber sind zur Meldung des Unfalls verpflichtet. Arbeitnehmer können einen Unfall jedoch auch selbst bei der DGUV melden. Formulare dafür sind beim Durchgangsarzt erhältlich.
 
Erkennt die Unfallversicherung den Arbeitsunfall nicht an, werden darüber sowohl Arbeitnehmer als auch der Durchgangsarzt informiert. Arbeitnehmer können dann Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen. Dafür steht ein Monat Zeit zur Verfügung. Der Widerspruch ist kostenlos. Widersprüche gegen Entscheidungen der Unfallversicherungsträger sind weit verbreitet. Im Jahr 2014 gab es zum Beispiel mehr als 30.000 solcher Widersprüche.

Hilft auch dies nicht, müssen Betroffene den Klageweg bestreiten. Damit kann versucht werden, die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung als Arbeitsunfall zu zwingen. Dieser Weg steht laut § 78 SGG erst nach dem Widerspruchsverfahren offen. Ob sich die Klage lohnt, hängt vom Einzelfall ab. Betroffene sollten in jedem Fall fachkundige juristische Beratung einholen.

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