Wie leben die Menschen im Hochwassergebiet im Ahrtal heute

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Abenteuer Alltag
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In der Nacht vom 14. auf den 15.07.2021 wurde das Ahrtal und die ganze Region von einer nie da gewesenen Flutkatastrophe heimgesucht, die bis heute bleibende Schäden hinterlässt. Diese Schäden sind auch heute, 3 Jahre nach der Flut noch sichtbar. In der Region, den Städten und in den Herzen der Menschen.

The Human Safety Net hat Ende 2021 ein Projekt mit der Caritas in Ahrweiler aufgesetzt, das startete, als die erste Notfallhilfe geleistet war. Denn wenn die Menschen aufgeräumt haben, ihr Haus vom Schlamm befreit und nach dem Chaos anfangen, in eine Art Alltag zurückzukehren.

Dann zeigen sich die langfristigen Folgen, die ein solches Ereignis bei den Menschen und ihrer Psyche hinterlässt. Weite Teile der Infrastruktur wurden in den betroffenen Gemeinden zerstört. Gut vernetzte Sozialräume waren von der Flut betroffen und nicht mehr vorhanden. Dies hatte auch Auswirkungen auf Schwangere und Familien mit kleinen Kindern in der Bewältigung des Alltages.

Unter­stüt­zung für Fami­lien in der Kata­stro­phen­re­gion

Neben der Zerstörung von Wohnraum entstanden vielfältige existentielle Fragen. Aber auch die Freizeitangebote, Möglichkeiten der Erholung und des Austausches fehlten in der Zeit nach der Flut fast vollständig. KiTa’s waren zerstört, ebenso wie Spielplätze oder Räumlichkeiten zum Austausch und zur Zusammenkunft.

Erschwert wurde die Situation bei vielen noch durch den Umstand, dass eigener Wohnraum verloren gegangen oder stark eingeschränkt nutzbar war. Das Erlebte führte bei vielen Bewohnern des Ahrtals bis heute zur Traumatisierung. Neben den Folgen der Flut erschwerte die Corona-Pandemie den Alltag vieler Familien zusätzlich.

Ab Februar 2022 unterstützten wir den Caritasverband Rhein-Mosel-Ahr und die Familien in der Region mit psychosozialer Begleitung. We AHR Family wurde ins Leben gerufen.

„We AHR Family“ ist ein Treffpunkt für Schwangere, Mütter und Väter mit Kindern bis zum 3. Lebensjahr im Ahrtal“. Das Angebot zielte darauf ab, Erholung, Entlastung und Selbstfürsorge für Schwangere bzw. Mutter oder Vater zu bieten. Durch regelmäßige Treffen und feste fachlich kompetente Ansprechpartner konnten die Familien Unterstützung, Sicherheit und Verlässlichkeit erleben. In der Begegnung und im Austausch mit anderen Eltern konnte der Alltag reflektiert werden und die Teilnehmenden sich gegenseitig unterstützen. Der Lebensraum dieser Familien wurde komplett zerstört und durch die gemeinsame Aufarbeitung in der Gruppe konnten eigene Ressourcen wieder mobilisiert werden. Neben diesen Trauma bezogenen Aktivitäten stand natürlich das Kind im Mittelpunkt des Projekts, wie bei allen Projekten von The Human Safety Net for Families.

So konnten die Gruppentreffen genutzt werden, um eine altersgemäße Begegnung zu ermöglichen und die teilnehmenden Kleinkinder intensiv zu fördern. Von Februar 2022 bis Anfang 2024 konnten mit über 45.000€ Spenden über 420 Erwachsene und 470 Kinder erreicht werden.

Ich finde es jetzt schon schade, wenn die Gruppe mal aufhört, oder wir nicht mehr kommen können, weil das Kind in der KiTa ist.

Mutter aus Ahrweiler

Ver­trauen schafft neue Hoff­nung

Durch die besondere personelle Ausstattung (zwei Erzieherinnen, zwei Sozialarbeiterinnen, hiervon eine aus der Schwangerschaftsberatung) konnte eine gute und teilweise sehr individuelle Gesprächsatmosphäre zu unterschiedlichen Themen geschaffen werden. Durch das entstandene Vertrauen konnten Angebote und Unterstützung an Anwesende vermittelt werden. Die Erwachsenen konnten durch vielfältige Unterstützung im Rahmen der Schwangerschaftsberatung mentale Hilfe erhalten. Dies stellte für viele eine wichtige Entlastung, auch für die gesamte Familiensituation, dar. Durch den Austausch untereinander sowie Gesprächen mit dem anwesenden Fachpersonal konnten eigene Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten häufig wieder aufgezeigt werden.

Die gut ausgestattete personelle Situation ermöglichte Gespräche und in Teilen auch eine emotionale Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen und -phasen. Ein Ort des Austausches ist durch das Projekt entstanden. Mütter, Väter und teilweise auch Großeltern haben sich über die eigene Situation ausgetauscht, Tipps und Ideen sowie Anregungen erhalten. Eine Vernetzung fand bei einigen Müttern/Vätern auch über das wöchentliche Treffen hinaus statt. Probleme, die durch die Flut entstanden sind, aber auch positive Ereignisse wurden geteilt. Bei den regelmäßigen Treffen stießen unterschiedliche Menschen aufeinander, die jeweils gut in das Gruppengefüge integriert werden konnten.

Das Projekt „We AHR Family“ konnte insbesondere in der ersten Zeit nach der Flut viele Mütter, Väter und in Teilen auch Großeltern erreichen und in der für sie schwierigen Zeit auf unterschiedlichste Weise entlasten und in finanzieller und emotioneller Weise unterstützen.

Es ist hier wie eine Familie für mich geworden.

Mutter aus Ahrweiler

Wir haben einer teilnehmenden Mutter einige Fragen gestellt, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie es den Menschen im Ahrtal 3 Jahre nach der Flut-Katastrophe geht.

1. Wie geht es den Menschen im Ahrtal heute und insbesondere Familien mit kleinen Kindern?

Uns geht es so weit gut, unsere Tochter wird dieses Jahr 3 Jahre alt und ist ein aufgewecktes, kerngesundes kleines Mädchen. Sie ist kurz nach der Flut geboren und hat die Nacht somit zum Glück nicht miterleben müssen, allerdings war es nicht einfach, in der Flutzeit hochschwanger zu sein.

2. Welche Bedürfnisse und Probleme hatten die Menschen direkt nach der Flut und welche Probleme sind es heute?

Die Infrastruktur war damals ein großes Problem. Die notwendigsten Dinge haben gefehlt. Wir hatten teilweise keine Schuhe, die Flut kam nachts für viele überraschend und nahm alles. Auch die Unterwäsche und da fängt es ja schon an. Man fing in jeglicher Hinsicht bei Null an und Gelder die man hatte fließen noch immer in „wichtige“ Dinge und man kann sich somit vieles nicht erlauben, was man eigentlich auch bräuchte, da ja wirklich ALLES gefehlt hat. Von der finanziellen „Unterstützungen“ möchte ich gar nicht erst reden.

3. Welche Spätfolgen für die mentale Gesundheit der Menschen sind erkennbar und wie hat den Menschen das Programm „We AHR Family“ hierbei geholfen?

Viele haben Angst vor schlechtem Wetter, ich auch. Man stelle sich vor, man liegt nachts im Bett, es regnet. Man wird wach und hört draußen das Wasser. Man wird jedes Mal sofort zurückversetzt. Man kann einem Fremden nicht beschreiben, wie man sich fühlt. Mit keinem Wort der Welt könnte jemand diese Nacht  nachempfinden, wenn er sie nicht selber erlebt hat. Ich habe die Spielgruppe von We AHR Family erst Monate später mitbekommen. Seitdem bin ich einfach froh, dass meine Kleine einen sicheren Platz zum Spielen hat.

4. Welche Maßnahmen wären speziell für die Kinder erforderlich, um die Spätfolgen der Flut zu mildern und welche Mittel stehen hierfür zur Verfügung?

Für Kinder gibt es kaum noch etwas. Ahrweiler hatte schon immer zu wenig Angebote für Kinder und es sind nochmal weniger geworden. Ahrweiler lebt eben von den Rentnern, die Kinder fallen da hinten runter. Man hat Geld für vieles, aber Angebote für Kinder sind nicht dabei. Alleine wieder ein Hallenbad zu haben wäre wunderbar im Sommer. Früher gab es in der Fußgängerzone überall kleine Wippen. Heute? Nichts.

Vielen Dank für die offenen Worte!

Dank des sichtbaren Erfolgs des Angebots und der aktiven Unterstützung, die die Eltern erfahren, wird „We AHR Family“ auch nach Abschluss der Förderung durch The Human Safety Net fortgeführt.

Per­sön­li­che Bera­tung

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